Technische Überlegungen und Anmerkungen zur Produktion
Ich höre manchmal, auch von Kolleg:innen, dass es auf die Technik (und somit auf die Kamera) überhaupt nicht ankomme. Ein gutes Bild sei einzig und allein durch die Wahl von Belichtung und Ausschnitt bestimmt. Diese Meinung teile ich nicht. Die Wahl der fotografischen Methode und die Wahl der technischen Ausrüstung tragen wesentlich zu einem guten Bild bei. Persönlich bin ich der Ansicht, dass es für verschiedene Aufgaben verschiedene Ausrüstungen braucht. So liegen bei mir mehrere Kamerataschen und Koffer bereit.

Analog (Reportagen)
Seit meiner Jugend, als ich mit 17 Jahren ernsthaft zu fotografieren begonnen habe, sieht der Inhalt meiner Kameratasche ähnlich aus:
1970 habe ich mit der Nikon Nikkormat FTN 35mm-Kamera, mit dem Nikkor 50mm/1:1.4-Objektiv und der zweiäugigen Yashica-Mat 6×6 Mittelformat-Kamera angefangen. Beide Kameras hatte ich auf meiner ersten Reise ans Nordkap dabei.
Heute hat sich das nur geringfügig geändert: Meist habe ich die Leica M6 und eine Rolleiflex 2.8 6×6 in der Tasche.

Analog (Portrait)
Portraitfotografie ist zeitaufwändig und in erster Linie sollte man diese Zeit mit der zu fotografierenden Person verbringen. Eine langsame Technik hilft beim Entschleunigen.
Ideal finde ich dazu meine Hasselblad C530 mit dem Zeiss Planar 80mm/1:2.8, dem Zeiss Distagon 50mm/1:4 dem Zeiss Sonar 150mm/1:4 und dem Zeiss Tessar 160mm/1:4.8. Zum Messen der Belichtung dient mir meist mein über 50-jähriger Sekonic Belichtungsmesser. Wenn ich blitzen muss, verwende ich einen Bellichtungsmesser von Minolta.

Digital (Reportagen)
Da das Geräusch bei den Spiegelreflexkameras oft stört, war für mich der Wechsel (von der Nikon 850) auf spiegellose Kameras abzusehen. Heute benutze ich in der Dokumentarfotografie die Nikon Z9 als Hauptkamera und die Z7II als Backup-Kamera.
Wegen der vielfach sehr staubigen Arbeitsumgebung kommt ein Objektivwechsel im Feld nicht in Frage. Die einzige Lösung für dieses Problem sind Zoomobjektive, verteilt auf mehrere Kameras. Die drei Z-Zoom-Linsen von Nikon, S-Nikkor 14-24mm/2.8, S-Nikkor 24-75mm/2.8 und S-Nikkor 75-200mm/2.8, decken die Bereiche, die ich als Reporter brauche, vollumfänglich ab.

Digital (Portrait und Landschaften)
Die M11 von Leica ist vermutlich die beste Kamera, die ich je hatte. Für Reportagen, bei denen der «Decisive Moment» immer auch von der Geschwindigkeit abhängt, wäre sie mir allerdings viel zu langsam. Meine Sammlung von Leica-Objektiven (die ich auch auf der analogen M6 benutze) ist in punkto Schärfe unübertroffen (Leica Summilux-M ASPH 21mm/1:1.4, Leica Summicron 35mm/1:2, Leica Summilux-M ASPH 50mm/1:1.4, Leica APO-Summicron-M ASPH 90mm/1:2).

Digital (Recherchen)
Für Recherchen und im Alltag habe ich fast immer eine kleine Fujifilm X100V oder eine Ricoh GR in der Jackentasche. Die zu geringe Auflösung und der viel zu kleine APS-C-Sensor dieser beiden Kameras frustriert mich allerdings immer dann, wenn ich ein Bild in eine vorhandene Vollformatserie einfügen will.

Experimentalfotografie
Seit 1971 bin ich ein grosser Fan der Sofortbildfotografie. Ich habe eine Sammlung von SX-70-Polaroid-Kameras, sowie 120er Peel-Apart Polaroid-Apparate. Siehe https://pola.art
Blitz
Im Studio benutze ich weiterhin meine mittlerweile fast 50-jährige Elinchrom Studioblitzanlage. Für die Reportagen verwende ich seit kurzem mit Erfolg (und entsprechender Begeisterung) einen A10 von Profoto mit der portablen Softbox.
Ciné-Licht
Als Filmemacher bin ich es gewöhnt mit Kunstlicht zu arbeiten. Auch beim Fotografieren kommt blitzen aus gestalterischen Gründen oft nicht in Frage. Die heissen und stromdurstigen Halogenleuchten habe ich heute durch Led-Ciné-Leuchten ersetzt. Um beispielsweise ein Augenlicht zu setzen, stecke ich eine kleine Ledleuchte auf den Blitzschuh der Kamera und passe die Lichtmenge mit dem eingebauten Dimmer an.
Natürliches Licht
Bei jedem Tageslicht-Shooting habe ich zusammenfaltbare Disk-Reflektoren dabei. Mein Assistent ist im Umgang mit diesen leichten und schnell einsetzbaren Scheiben geübt: Es gibt kaum eine Aufnahme in den Reportagen, bei der wir nicht mittels der Reflektoren die Gesichter der Protagonisten aufhellen. Siehe https://living-on-water.org
Kleinmaterial
Man benötigt viele Ersatz-Akkus, Ladegeräte, Steckerschienen mit internationalen Multisteckern, diverse Kabel, Reinigungsmaterial, Gaffer Tape, Kabelbinder, diverses Werkzeug und selten auch noch ein Stativ. Dazu kommen ein Laptop und Backup-Festplatten. Meine vollständige Reportage-Ausrüstung wiegt meist zwischen 15 und 17 Kilogramm.
Modus Operandi
Pre-Production
In der Dokumentarfotografie sind ausführliche Recherchen zwingend notwendig. Ich habe seit Jahren das Glück, mit meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Diana Bärmann zusammenzuarbeiten, die die meist sehr aufwändigen Arbeiten für mich ausführt. Sie recherchiert die Themen, die mich interessieren, von Zürich aus. Neben ausführlichen Internetrecherchen schreibt sie Leute an und kontaktiert staatliche und private Institutionen, die uns Auskunft geben können. Manchmal wird eine solche Recherche inklusive des historischen Hintergrunds und diesbezüglicher Analysen gut und gerne 100 Seiten stark.
Produktion
Bei meinen Filmproduktionen habe ich gelernt, dass der Erfolg eines Projekts fast ausschliesslich von den Mitarbeiter:innen abhängt. Auch in der Fotografie arbeite ich immer mit einem Team, bestehend aus Assistent:in, Übersetzer:in und Fahrer.
Mein langjähriger ausführender Produzent Chris Jarvis ist Producer, Assistent und Beleuchter in Personalunion. Chris organisiert Reisen, besorgt Shooting-Bewilligungen, reserviert Hotels und Restaurants und vor allem überzeugt er Leute von der Wichtigkeit unseres Tuns.
Bei den Shootings verwaltet er das Equipment und hält mir buchstäblich den Rücken frei.
Es kann nützlich sein, verschiedene Ausrüstungen dabei zu haben. Ich entscheide mich aber jeweils vor den einzelnen Shootings für eine Kamera und ein bis maximum zwei Objektive, von denen ich denke, dass sie für die entsprechende Unternehmung die besten sein werden. Ich nehme somit immer nur das Allernotwendigste an die Locations mit. Je weniger Geräte man dabeihat, desto schneller und unbeschwerter lässt es sich arbeiten. Trotzdem fehlt der auseinanderfaltbare Disk-Reflektor nie. Da Shootings immer länger dauern, als man annimmt und man meist bis in die Nacht arbeiten muss oder will, haben wir immer Licht dabei (Led-Leuchten und Blitz). Der Laptop bleibt im Hotel, weil ich während der Arbeit nicht das Ergebnis anschaue, auch nicht im eingebauten Kamera-Monitor. Das lenkt unnötig ab, kann verwirren oder zu Zweifeln führen, alles Dinge, die dem Erfolg abträglich sind.
Postproduktion
Schnelle Rechner und professionelle, kalibrierte Monitore mit hoher Auflösung sind heute die Voraussetzung für ein effizientes digitales Labor.
Folgende Software ist im Einsatz:
– VueScan (Scansoftware welche ich für die Nikon CS9000 und CS8000 und die beiden Flachbett-Scanner VP750 Pro und VP850 Pro verwende)
– Capture One Professionell (für das Verwalten und Aussuchen der Bilder und das Batch-Processing)
– Photoshop (für die Bildverarbeitung)
– Topaz DeNoise AI (Bilder, die mit über ISO 5000 aufgenommen werden mussten, werden zusätzlich mit dieser Software verarbeitet).
Als Speichermedium habe ich Synology-Raids im Einsatz. Mittlerweile haben die eingesetzten Platten eine Speicherkapazität von über 200 Terabyte. Das Raid spiegelt alle Files automatisch.
Print
Bis und mit A2-Format drucke ich inhouse mit meinen Epson Druckern SC-P600 und SC-P900 auf Papiere von Hahnemühle, für Ausstellungen und Tests (Printers Proof) auf das Kunststoffpapier Luster und für die Editionen auf Büttenpapier.
Die grösseren Formate lasse ich bei der Firma Etterimage.com, der Firma meiner Kusine Susan Etter-Gruber und ihrem Mann Beat Etter drucken. Die Firma druckt für viele grosse Fotograf:innen und Institutionen, wie beispielsweise für René Groebli und für das Fotomuseum Winterthur.
Dem Druck und der Rahmung der Bilder messe ich eine grosse Bedeutung bei. Bis ich mit einem Print zufrieden bin, entstehen mehrere Printers-Proof-Abzüge. Die Qualität des gedruckten Bildes entscheidet über die Perfektion einer Fotografie.